Samstag, 14. Dezember 2013

Geschichte #7 - Weihnachtswunder: Teil 1

Es gibt viel zu viele Wörter auf der Welt. Viel zu viele unwichtige, falsche Wörter. Ich habe die Falschen verwendet. Ich habe sie verwendet und als ich sie rückgängig machen wollte, war es zu spät. Wir hatten einen Streit, einen Kleinen, wenn man bedenkt, wie groß die Probleme der Menschheit sind. Er war abgelenkt. Das Auto kam auf dem Eis ins Rutschen. Ich überlebte. Er nicht.
„Ich hasse dich.“ Das habe ich gesagt.
Seitdem sage ich nichts mehr. Die Ärzte können nichts tun. Sie haben alles versucht, aber der Schaden ist dauerhaft. Meine Eltern haben es nicht verkraftet und sehen mich seitdem immer so komisch an. Tut mir Leid, dass sie ein behindertes Kind haben. Schon ein Jahr lang.
Diese Weihnachten liegt kein Schnee. Morgen wird kein Schnee liegen. Es gibt kein Eis. Es ist wie im Frühling. Die Sonne scheint, an den Bäumen blühen die ersten Blüten. Ich lasse den frischen Wind auf meine nackten Arme und durch meine schwarzen Haare wehen. Ich renne. Das mache ich manchmal. Ich renne so weit und so schnell ich kann. Ich renne davon. Ich will vergessen.
Die Sonne steht noch tief. Es ist eine Allee, eine Verbindung zwischen meiner Stadt und einem Dorf. Drei Kilometer lang. Ich renne bis ich dort bin und schmeiße mich auf eine kleine morsche Bank. Ich sehe über das Feld zu den kleinen Bergen. Ich wollte dort hoch klettern. ER meinte, ich wäre verrückt. ER wollte nie mit mir dort hoch.
„Geht es dir gut?“, höre ich eine Stimme neben mir und ich schleudere herum. „Du weinst ja.“
Ich lächele dem Jungen zu und wische mir die Tränen weg. Dann wende ich mich wieder den Bergen zu. Wie es wohl da oben ist? Warum bin ich nicht längst alleine dort hoch? Aber sonst entferne ich mich von IHM.
„Bist du schüchtern?“
Ich schüttele meinen Kopf. Soll er doch denken, dass ich eingebildet bin. Ich will nie wieder einen Jungen zu nah an mich heranlassen. Aber trotzdem stellt sich mir die unerbittliche Frage: Wer ist er? Wer hat so eine warme schöne Stimme?
Ich sehe ihn mir nicht genau an, aus Angst, er könnte gut aussehen. Aus Angst, dass er etwas in mir auslöst. ER wird der einzige in meinem Leben bleiben.
„Kannst du nicht reden?“
Nicken.
Wer zum Teufel bist du? Warum hast du das so schnell erraten?
„Weißt du, manchmal rede ich viel zu viel. Da wünschte ich mir, ich könnte auch nicht reden.“
Ha, so ging es mir auch mal.
Dann sehe ich ihn an.
Grüne Augen. Dunkelbraunes Haar. Schlanke Figur. Die berührendste Wärme, die ich je gespürt habe. Er ist etwas jünger als ER, aber ER war drei Jahr älter als ich.
„Du hast ja blaue Augen“, sagt er und strahlt mich an. Dann sagt er nichts mehr.
Und ich sage nichts mehr.
Und plötzlich scheint es so, als würde ich alles über ihn wissen, als würde ich ihn schon ewig kennen. Als wäre er mein bester Freund, mein Beschützer und der Eine, der dieses Gefühl in mir auslöst.
Das verbotene Gefühl. Ich stehe auf und renne. Nein, das kann nicht sein. Nicht er, nicht ich. Nicht wir.
Ich höre seine Schritte hinter mir, spüre seine Hand auf meiner Schulter und das folgende Kribbeln in meinem ganzen Körper.
„Ich … Ich will dich nicht nerven, aber …“
Nein, rede weiter. Nicht aufhören, flüstert eine Stimme in mir, aber eine andere schreit: Renn!
„Ich wollte dir noch sagen, dass ich glaube, dass du reden kannst, wenn du nur willst.“
Nein, er irrt sich. ER hat sich nie geirrt.
Und jetzt renne ich. Ich renne richtig, sodass er keine Chance hat mich einzuholen. Nie wieder so ein Gefühl, wie bei IHM. Das habe ich mir geschworen.

Hier kommt ihr zu Teil 2.

7 Kommentare:

  1. Der Ansatz ist ganz gut, auch wenn ich mich mit solchen Protagonisten irgendwie nie identifizieren konnte.
    Verwirrend ist, dass man nicht wirklich weiß, was passiert ist, wer jetzt behindert ist (Was sich aber mit dem nicht reden so halb aufklärt) und wer nun der tote ist. Auch das mit den Eltern hätte besser ausgeführt werden können, wie schauen sie "dich" an? Inwiefern komisch?
    Ich bin allerdings gespannt auf den zweiten Teil und hoffe, dass die die Kritik irgendetwas bringt (:

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    1. Danke, die Geschichte habe ich schon vor einem Jahr geschrieben. Sie ist also schon fertig, aber vielleicht. Dass man am Anfang noch nicht so ganau weiß, was eigentlich Sache ist, war Absicht. Vielleicht bekommst du ja im nächsten Teil deine Antworten.

      Trotzdem Danke für deine Kritik =)

      Liebe Grüße
      Luisa

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    2. Ich werde auf jeden Fall weiterlesen (:

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  2. Jetzt wird mir gerade klar,w as ich verpasst habe, als ich im Dezember veragß die Geschichte zu lesen. Es ist echt spannend, gut das ich direkt weiterlesen kann. Welche GEschichte von dir würdest du als die Beste einschätzen?

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    1. Mitten im Sommer kommst du darauf eine Weihnachts-Geschichte zu lesen? o.O
      Okay, bin ja genauso. Bin gerade dabei ein Weihnachtslied mit meiner Ukulele zu schreiben =D

      Welche Geschichte ich von mir am besten finde? Du kannst ja Fragen stellen...
      Das weiß ich nicht. Es gibt immer einen Punkt, der mich mit einer meiner Geschichten unzufrieden macht. Ich denke vorher immer: Jetzt werde ich meine beste Geschichte schreiben, weil sie in meinem Kopf beinahe perfekt ist. Dann möchte ich sie aufschreiben und dann fehlen mir die passenden Worte =)

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